Die Kunst, Leser zu überraschen
Wie man unerwartete Wendungen geschickt einführt, ohne die Glaubwürdigkeit der Handlung zu verlieren.
Hach, wer kennt ihn nicht? Den kleinen Schockzustand, wenn die Geschichte oder der Film eine unerwartete Wendung nimmt. Diesen Waaaas Moment, wenn alles Vertraute in Frage gestellt wird, weil die Handlung eine plötzliche Kehrtwende macht. In der Welt der Geschichten sind Twists und Turns das, was Leser auf den Kanten ihrer Stühle sitzen und nach Luft schnappen lässt. Sie sind die Geheimzutat, die aus einer guten Geschichte eine großartige macht. Tauchen wir also in die faszinierende Welt der überraschenden Wendungen ein. Aber was genau sind gelungene Twists und Turns? Welche Arten gibt es? Wie werden sie geschickt in eine Handlung integriert und worauf sollte unbedingt geachtet werden? All diesen Fragen gehen wir jetzt auf den Grund.
Die goldene Regel: Ein gelungener Twist ist eine Wendung, die den Leser überrascht. Er darf niemals willkürlich erfolgen, sondern muss stets aus der Geschichte resultieren, um die Glaubwürdigkeit der Handlung zu wahren.
Die drei Arten von Twists
Der Charakter–Twist:
Dieser Twist bezieht sich auf die Charaktere einer Geschichte.
Wenn sich zum Beispiel der Beste Freund des Protagonisten in Wahrheit als ärgster Feind oder der vermeintliche Bösewicht am Ende als Retter entpuppt. Andererseits kann ein Charakter-Twist auch den inneren Konflikt einer Figur aufzeigen. Wie in Black Swan, wo die scheinbar harmlose Balletttänzerin (Nathalie Portman) zu einer von inneren Dämonen geplagten Figur mutiert.
Charakter-Twists können eine Geschichte erheblich bereichern indem sie den Leser oder Zuschauer überraschen. Sie tragen dazu bei, komplexe und nuancierte Figuren zu schaffen.
Der Plot–Twist:
Mein absoluter Lieblings–Twist. Diese Wendung stellt das Geschehen einer Handlung völlig auf den Kopf, indem die finale Enthüllung das Verständnis der gesamten Geschichte über den Haufen wirft und den Zuschauer mit offenem Mund zurücklässt. Man denke an The Sixth Sense, wo Bruce Willis als Kinderpsychologe glaubt, einen verstörten Jungen zu therapieren (ich sehe tote Menschen) . Nur um am Ende zu erkennen (Vorsicht Spoiler), dass er selbst tot ist und sein Geist von diesem Jungen gesehen wird. Oder halten wir uns Die Unfassbaren vor Augen. Eine Gruppe von Illusionisten führen während ihren Bühnenshows spektakuläre Banküberfälle und Täuschungsmanöver durch, während sie von FBI und Interpol gejagt werden. Wer hätte gedacht, (Achtung Spoiler-Alarm) dass ausgerechnet der hartnäckige FBI Agent sich am Ende als Kopf hinter dem ganzen Zauber entpuppt?
In beiden Beispielen führt der Plot-Twist zu einer radikalen Veränderung der Wahrnehmung der Handlung und seiner Charaktere. Sie überraschen, indem sie bekannte Elemente in einem neuen Licht zeigen und die gesamte Dynamik der Geschichte verändern.
Der Themen–Twist:
Der Themen–Twist bezieht sich auf eine unerwartete Wendung oder Enthüllung im zentralen Thema oder der grundlegenden Idee einer Geschichte. Sie bringt den Leser dazu, die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen.
Beispielsweise in The Matrix. (Vorsicht Spoiler) Wenn die Hauptfigur entdeckt, dass die Welt, die er für real hält, in Wahrheit nur eine, von Maschinen geschaffene, virtuelle Realität ist. Oder Planet der Affen, der unsere Weltanschauung als zivilisierte menschliche Rasse in Frage stellt, indem sich am Ende der Geschichte herausstellt (Vorsicht, erneuter Spoiler-Alarm) ,dass die Handlung nicht auf einem fernen Planeten mit intelligenten Affen und primitiven Menschen spielt, sondern die Zukunft der Erde widerspiegelt.
Der Themen-Twist verändert die grundlegende Perspektive der Zuschauer und führt zu einem tieferen Nachdenken über das zugrunde liegende Konzept der Geschichte. Themen-Twists haben oft das Potenzial, die Bedeutung einer Geschichte auf einer philosophischen oder existenziellen Ebene zu erweitern.
Aufbauweise von Twists:
Jetzt wissen wir mit welchen Arten von Twist wir arbeiten können. Sehen wir uns an, wie wir sie geschickt in unsere Geschichten einbauen. Denn eines ist klar... es gibt nichts Schlimmeres, als ein schlecht gemachter Twist. Ein Erdbeben, das exakt dann einsetzt, wenn der Protagonist eine Ablenkung braucht? (gähn) Eine unglaubliche Verfolgungsjagd. Der Held gerät in eine Falle. Alles scheint aussichtslos und der Protagonist sieht bereits seinem grausigen Tod entgegen und dann… schrillt der Wecker und alles war nur ein böser Traum. (Echt jetzt? Wie enttäuschend) Mit solchen Aktionen schafft man nur eins – den Leser zu verärgern.
Also lass es uns besser machen.
Gelungene Twists erfordern vor allem 2 Dinge.
Eine sorgfältige Vorbereitung und das richtige Timing
Sorgfältige Vorbereitung: Andeutungen, subtile Hinweise und eine gekonnte Charakterentwicklung sind Schlüsselelemente, um Leser auf die unerwartete Wendung vorzubereiten.
Richtiges Timing: Der Zeitpunkt eines Twists ist ebenso entscheidend. Zu früh, verliert er seine Wirkung, zu spät könnte die Geschichte vorhersehbar werden. Die Kunst liegt darin, den Leser genau dann zu überraschen, wenn er es am wenigsten erwartet.
Mit diesen neun Tipps gelingt dir jeder Twist garantiert
Entwickle vielschichtige Charaktere: Baue Charaktere auf, die tiefe und nuancierte Persönlichkeiten haben. Der Twist kann direkt mit einer unerwarteten Enthüllung über einen Charakter oder dessen Entwicklung im Laufe der Geschichte zusammenhängen.
Leg falsche Fährten: Lenk die Aufmerksamkeit deiner Leser durch geschickt platzierte Hinweise in die falsche Richtung. Wenn du subtile Hinweise streust, die zu einer falschen Schlussfolgerung führen, wird der Twist umso überraschender.
Kreative Handlungsstränge: Entwickle mehrere Handlungsstränge, die miteinander verflochten sind. Ein Twist kann auftreten, wenn sich zwei oder mehr scheinbar unzusammenhängende Handlungsstränge plötzlich kreuzen oder verbinden.
Ändere die Perspektive: Spiel mit der Perspektive der Erzählung. Ein Twist kann durch das Enthüllen neuer Informationen aus einer anderen Sichtweise oder durch das Umschalten zwischen verschiedenen Erzählperspektiven entstehen.
Bau Spannung auf: Schaffe Spannung, indem du den Twist geschickt aufbaust. Ein guter Twist kommt nicht aus dem Nichts, sondern baut auf früheren Handlungen, Beziehungen oder Konflikten auf.
Nutze Mehrdeutigkeit: Integriere Elemente von Mehrdeutigkeit in deine Geschichte. Wenn Zuschauer oder Leser verschiedene Interpretationen von Ereignissen zulassen müssen, kannst du den Raum für einen überraschenden Twist schaffen.
Brich Genre–Klischees: Wenn deine Geschichte einem bestimmten Genre folgt, spiel mit den Erwartungen und brich dann bewusst die Klischees, indem du die üblichen Erwartungen nicht erfüllst. Dies kann zu einem Twist führen, der die typischen Erzählmuster durchbricht.
Hinterfrage die Charaktermotivationen: Stell die Motivationen deiner Charaktere in Frage. Ein Twist kann sich ergeben, wenn die wahren Beweggründe eines Charakters ans Licht kommen und sich von den anfänglichen Annahmen unterscheiden.
Bleib glaubhaft: Denk daran, ein guter Twist sollte immer organisch in die Geschichte eingebettet sein und nicht erzwungen oder gar willkürlich wirken. Sorgfältige Planung, Aufbau und die Berücksichtigung der emotionalen Auswirkungen auf die Charaktere und Handlung tragen dazu bei, dass der Twist den gewünschten effektiv hervorruft.
Fazit: Twists und Turns sind keine willkürlichen, unbeabsichtigten Wendungen, sondern sorgfältig gestaltete Elemente, die die Erzählung vertiefen, den Leser überraschen und gleichzeitig in die Welt der Geschichte eingebettet sind. Durch geschicktes Einbauen von Wendungen kannst du Erwartungen brechen, neue Perspektiven einführen und eine tiefere emotionale Resonanz erzeugen. Ein gut platzierter Twist kann die Gesamtqualität deiner Geschichte erheblich steigern und dazu beitragen, dass sie deiner Leserschaft viele Jahre im Gedächtnis bleibt.
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